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środa, 07 październik 1998 20:30

Der Gastarbeiter - mein Nächster

Napisane przez Dariusz Nowacki
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Stimmen wir der Ansicht zu, daß eine wirtschaftliche Krise eine Krise der männlichen Identität1 hervorruft, so wird einiges klarer. Die Männer der ersten Hälfte der achtziger Jahre, Protagonisten einer Prosa, die vom Geldverdienen in Deutschland handelt, sind gequälte, von Angst getriebene Gestalten.

 
Für Ludwig Erhard
den Vater des deutschen Wirtschaftswunders
als Beweis meiner Sympathie

Die Deutschmark und der Körper

Stimmen wir der Ansicht zu, daß eine wirtschaftliche Krise eine Krise der männlichen Identität1 hervorruft, so wird einiges klarer. Die Männer der ersten Hälfte der achtziger Jahre, Protagonisten einer Prosa, die vom Geldverdienen in Deutschland handelt, sind gequälte, von Angst getriebene Gestalten. Zwar hatte die Krise in Jaruzelskis Polen einen lokalen Charakter, aber man konnte sie (weil es bequem wäre für die folgende Betrachtung und auch, weil eine gewisse Analogie besteht) mit der Krise Ende der zwanziger Jahre und zu Beginn der dreißiger Jahre vergleichen, einer Zeit, als - wie Elisabeth Badinter schreibt - der Mann im Westen zum ersten Mal in einem solchen Ausmaß gedemütigt wurde, weil er nach Arbeit und einem kostenlosen Süppchen Schlange stand, und diese Ratlosigkeit hat seine Identität gewissermaßen von einem Tag auf den anderen zerstört. Der polnische Mann steht vor der Botschaft eher in der Warteschlange für ein Visum; die Welt der Lebensmittelkarten und des permanenten Mangels läßt ihm nur eine marginale Rolle als Eroberer. In die Bundesrepublik zu fahren und Deutschmark zu besitzen - das ist das Heilmittel gegen seine angeknabberte und gestörte Männlichkeit.

Bevor der Protagonist aus dem Roman von Marek Bukowski als falscher Tourist (und wirklicher Gastarbeiter) nach Bremen kam, hörte er von einem Mädchen über seinen Vorgänger: "Er war ein Onanist" - bekannte sie mir - "wir sind in eine Pension in die Berge gefahren, und stell dir vor, er lag neben mir und machte es sich, dabei hat das Bett ganz fürchterlich gewackelt. Ich habe mich vor den Nachbarn geschämt. Wenn wenigstens noch was gewesen wäre, aber er machte es nur alleine, die ganze Nacht konnte er nicht schlafen, manchmal wollte ich ihm helfen, aber dann konnte er nicht […]. Er machte es pausenlos, zu Hause ging er jeden Augenblick ins Bad, und dann hörte ich seinen Atem."2 Im Lande blieben Typen mit degradierter Männlichkeit, diejenigen, die die Kraft hatten, sich aufzulehnen, stützten ihre Identität und pumpten sie mit Deutschmark auf. Dabei ist dies ein dorniger Weg, auf jedem Schritt lauert Erniedrigung, ein Mangel an Komfort wohin man sieht. So sind zum Beispiel die deutschen Frauen - aus Gründen der Zugehörigkeit zu "gesellschaftliche Klassen" - lediglich Gegenstand von Seufzern und schmachtenden Blicken. Ein Mann, der in Deutschland schwarzarbeitet, leidet ganz offensichtlich: "Wie viele nette Schicksen gibt es hier! Mengenweise, und wie aufgedonnert… und unsere haben Hintern wie Schränke mit drei Türen und ´nem Spiegel" (N, 58). Die deutschen Frauen beschäftigen die Phantasie der Helden - niemals ihre Männlichkeit.

Ein Maß des Erfolges, den ein Pole in der Bundesrepublik erreicht hat, ist die Tatsache, daß er sich farbige Schönheiten leisten kann. Wie man daraus schlußfolgern darf, ist das eine Art Karriere, die unter Umgehung der unerreichbaren deutschen Frauen stattfindet. Der Erzähler im Roman von Andrzej Rodan sagt: "Marek Mann fiel mir ein, der mir erzählte, daß die ersten Jahre der Emigration schwer waren, aber jetzt ist er in der Branche angekommen, sein Leben hat sich stabilisiert, und wenn er Lust hat, nimmt er sich eine Mulattin, Indonesierin oder sonst eine farbige Nutte mit nach Hause, bietet ihr Suppe an - jeder Zoll ein Gentleman - hobelt so lange wie er Lust hat, dann bezahlt er, und wenn er guter Laune ist, bietet er am Schluß noch Rosentee an" (OP, 102). Eine Liebe in Deutschland (das ist, Gott bewahre, keine Anspielung auf den Film von Wajda) kann nur schmutzig sein, weil sie billig sein muß. Die Selbstbefriedigung in den Pornokinos3 für ein paar Mark, lindern das schmerzliche Dasein des Fremdarbeiters* ebenso wie der Alkohol, mit dem die Helden dieser Prosa nicht eben sparsam umgehen, und im besten Fall billige und ständig über Kundenmangel klagende Prostituierte, die daher bereit sind, sentimental-politische Tricks anzuwenden. "Noch ist Polen nicht verloren, wiederholte eine Nutte auf Sankt Pauli, Waleza, Solidarnosch, sie wollte uns damit ködern. Bleiche, dicke Beine und eine leere Sektflasche. Sie beleckte den Hals der Flasche, steckte ihn zwischen die Beine und leckte wieder" (T, 154).

Wie bereits gesagt, kann das Abenteuer des Geldverdienens in Deutschland als Versuch erklärt werden, die Bedürfnisse des eigenen Geschlechts zu befriedigen. Auf den ersten Blick ist alles klar - die aus der Psychoanalyse abgeleitete und von der gängigen Typologie der Geschlechter begründete, modellhafte Männlichkeit wird in dem deutschen Abenteuer sichtbar, vor allem solche Komponenten dieses Modells wie das Bedürfnis der Dominanz und die Brutalität, ohne die man mit einem Erfolg beim "Saksen" - der Fremdarbeit - nicht rechnen kann. Hier wird alles von dem Grundsatz des Angriffs und der Kompromißlosigkeit regiert; zu verdienen heißt auch, die zu erniedrigen, die es nicht geschafft haben. Die Dominanz aber hat etwas von einer Versteigerung - die Situation betrifft die Prothesen des Phallus (z.B. ein wirklich teures Auto) und so etwa stellt sich der Höhpunkt dar: "Wenn ich dann in der Bundesrepublik in meinem Porsche sitzen werde und jemand fragt mich, ob das mein Wagen sei, werde ich ganz kurz antworten: 'Ja, das ist mein Wagen' - Das wird wunderbar sein, nicht wahr?" (OP, 18).

Aber das Aufbauen des männlichen "Ich" im deutschen Element ist keine leichte Prozedur, es ist eher eine Konstruktion, die auf Schritt und Tritt angenagt wird, denn einerseits finden die Erzähler, um die es hier geht, Erfüllung und Befriedigung in der Rolle der Jäger (sie jagen nach Arbeit), sind Eroberer - aber andererseits werden sie sehr oft Opfer von Erniedrigungen. Ein Beispiel: Mitten im Sommer ist die Jagd eine anstrengende Beschäftigung, also verschnaufen die Krieger einen Augenblick: "Wir setzten uns in ein Haltestellenhäuschen, neben uns stand eine Dose mit Saft. Ich guckte rein - voll! Ich trank davon, mußte allerdings den Widerstand der Phantasie besiegen, die mir das Bild eines Syphiliskranken, eines von der Krätze zerfressenen Gesichts zeigte, das aus der gleichen Öffnung gesoffen hat. Ein bißchen gab ich auch Piotrek ab" (N, 62).

Bevor ich mich eingehend mit der Frage der Erniedrigung beschäftige, was im folgenden Abschnitt geschehen soll, hier noch ein paar Worte über die nicht einfachen Mann-Frau-Beziehungen und zugleich über die deutsch-polnischen Kontakte, die, wie gesagt, unter Ausnahmebedingungen stattfinden, denn die Polen träumen eher von den deutschen Frauen als daß sie im Vaterland von Konrad Adenauer in der Lage wären, sich ihnen zu nähern. So hat zum Beispiel in einer Erzählung von Janusz Rudnicki der Held, der in der Hierarchie der Gastarbeiterschicksale bereits eine ziemlich hohe Stellung einnimmt (mehrjähriger Aufenthalt, Status eines Asylanten, Festanstellung als Nachtportier) eine deutsche Braut. Die schematischen, petrifizierten Codes, die man normalerweise benutzt, um die deutsch-polnischen Beziehungen zu beschreiben, wurden hier auf den Körper bezogen und bei dieser Gelegenheit hinterlistig kompromittiert. So wurden die Stereotypen und die gegenseitigen Vorurteile in der Erzählung Odwiedziny (Der Besuch) von Janusz Rudnicki zu einem Bestandteil des Flirts, einer Chiffre der Liebesbeziehung: Barbara wendet sich voller Koketterie mit den Worten an ihren Geliebten: "Du dreckiger, versoffener Pole", er antwortet mit der gleichen Zärtlichkeit "Du Nazischwein"; wenn er aus dem Hörer des Haustelefons hört: "Deutschland über alles, Ausländer raus!", dann weiß er sofort, daß er im nächsten Augenblick seine Geliebte treffen wird. Mehr noch - Rudnicki bringt den Körper in Verbindung mit Motiven, die in unserer Tradition tabu sind: "Barbara zog sich aus, und ich tat verwundert, daß sie keinen moralischen Buckel hatte**. Sie wurde verlegen, nahm aber die Herausforderung an und malte mir mit ihrem Lippenstift eine Nummer auf den Arm. Damals, beim ersten Mal, wollte ich aus dieser bilateralen Beziehung als Sieger hervorgehen, ich hielt den Orgasmus zurück, indem ich mir unter den Lidern Gräben, Öfen, Schafotte ausmalte, die ich jedesmal mit dem gleichen Entsetzen betrachtete" (O, 78).

Ich meine, man sollte diese Szene so kommentieren, daß dieses gewagte Herunterleiern eigentlich die Umkehrung der geschützten und privilegierten Motive (das Enttätowieren von Nummern, die Bilder der Vernichtung) beweist, daß sie ganz einfach tote Zeichen darstellen, herausgerissen aus einer Ikonographie des Martyriums - heute sind es nur noch Embleme, die auf literarische oder kinematographische Gebrauchsmöglichkeiten verweisen, nicht aber auf Realitäten jenseits der Kunst. In Anbetracht dieser Tatsache sehe ich keinen Grund, mir eine bissige Bemerkung zu verkneifen - ein Werk wie z.B. Die schöne Frau Seidenman von Andrzej Szczypiorski, wurde manchmal zurecht als krasser literarischer Archaismus bezeichnet.

Das männliche Abenteuer und die Erniedrigung
In der Vielzahl der hier kommentierten Texte finden wir eine ganz besondere Ebene der Abenteuerlichkeit. Es geht mir, um einen bekannten Text zu als Bezug zu nehmen, um die Art von Abenteuer, wie wir sie in einigen Teilen von Marek Hłaskos Piękni dwudziestoletni (Die schönen Zwanzigjährigen) finden, die zugleich ein klassischer Ratgeber für die Kunst des Überlebens eines Polen ist, der irgendwo auf der Welt versucht, ein paar Cent zu verdienen. Sie thematisieren Abenteuer, die mit der Aufnahme von Gelegenheitsarbeiten verbunden sind, nebenbei gesagt - unter anderem in einem so ungünstigen Land, wie es aus der Sicht der modernen Saisonarbeiter Israel ist.

In der Bundesrepublik Deutschland der ersten Hälfte der achtziger Jahre ist der wichtigste Sport (Abenteuer), der von polnischen Gastarbeitern betrieben wird das Spiel: "Sie schnappen dich - sie schnappen dich nicht." Es fängt ganz harmlos an - man fährt ohne Fahrschein. "Ich begann ohne Fahrschein zu fahren, zuerst schüchtern drei, vier Haltestellen, später dann mehr als zehn. Jurek wurde dabei erwischt, aber da sind wir vom Zeltplatz weggezogen, also hat er nicht bezahlt" (N, 57). Eine ernsthaftere Variante dieser Sportart ist das gemeinsame Spiel von Arbeitgebern und Arbeitnehmern (es dient also der polnisch-deutschen Annäherung) mit der Polizei und den Ausländerämtern. Jeder, der in diesem Spiel eine Niederlage erlitten hat, wird automatisch zum Helden des Abends, zum Leonidas der Schwarzarbeiter, denn die Staatsmacht handelt dumm und schematisch - der Aufgegriffene lenkt für einige Zeit die Schnüffler von dem Ort ab. Diese und die umliegenden Arbeitsstellen werden nicht sobald wieder kontrolliert: "Abends platzte wie eine Bombe die Nachricht herein: Sie haben einen der Staœkis geschnappt, die Inspekteure erschienen gemeinsam mit der Polizei auf seiner Baustelle in dem Augenblick, als er gerade anfing zu arbeiten" (N, 156).

Eine andere Sportart - sehr männlich, denn manchmal muß man einem dabei auf die Schnauze schlagen oder bekommt selbst eine ab - ist eine Art Slalom zwischen ehrlichen und unehrlichen Deutschen, aber - und das ist typisch - zu der zweiten Kategorie gehören im allgemeinen in Deutschland naturalisierte Türken oder Jugoslawen; manchmal sind es auch Deutsche, die sich mit ihrer polnischen Abstammung legitimieren (oder umgekehrt), diese werden dann Volksdeutsche genannt. Kurz gesagt, diese Disziplin besteht darin, möglichst schnell den schwarzen, den betrügerischen Aspekt der "Schwarzarbeit" zu erkennen: Da wurden zum Beispiel 10 Mark für die Stunde versprochen, bei der Lohnzahlung stellt sich aber heraus, daß der Depp für 5 Mark gearbeitet hatte… Es kommt vor, daß der Lohn überhaupt ausbleibt - das bedeutet eine klare Niederlage in dieser Konkurrenz.

Die Schicksale der am Rhein arbeitenden Polen sind sehr unterschiedlich. Es kommt vor, daß die Helden ganz auf die schiefe Bahn geraten, die so manchen Namen trägt: "Boguœ zog aus dem Straßenautomaten vor dem Haus von Irma Hillmann mit einem Stück flachgeklopftem Metall ein Päckchen Camel. Mit einem gewissen Training war das ein Kunststück, das man erlernen konnte, und es war sicherer als das ‚Ausleihen' der Zigaretten vom Regal im Geschäft" (OP, 65). In der Titelgeschichte von Można żyć (Es läßt sich leben) gehen die Helden aufs Ganze - sie leben nur vom Diebstahl und kleinen Schwindeleien, was sie sich selbst gegenüber geschickt erklären: "Wir sind hier wie Robin Hood, den Reichen nehmen wir es, den Armen geben wir es zum halben Preis" (M, 171).

Wo wir schon bei den Motiven sind: Einer dieser kleinen Diebe hat sich die folgende antikommunistische Erklärung geschaffen, der die Beschreibung seiner Person vorangestellt ist: "Er ließ im Geschäft etwas mitgehen, verkaufte es, ‚handelte' ein bißchen und schrieb folgendes Gedicht […]: ‚Ach Du, Volkspolenland, ins Herz sollte man Dir den Schwanz bohren, denn durch Dich bin ich verachtet, verlumpt und verloren" (M, 168). Im Zusammenhang mit dieser Erzählung lohnt es sich, noch ein Beispiel für den unerschöpflichen Einfallsreichtum aus der Serie ‚Ein Pole schafft´s immer': Werden die Einbrecher beim Diebstahl in einer deutschen Wohnung unglücklicherweise von dem Besitzer erwischt, ruft einer der Räuber einen Satz auf türkisch, den er vorher auswendig gelernt hat, "damit die in Verdacht kommen - und dann nichts wie weg!" (M, 169).

Hier ist ein wirklich männliches Abenteuer etwas Alltägliches, in der Bundesrepublik atmet man das Abenteuer wie die Luft ein, einfach weil jede nicht touristische Geste kriminalisiert ist. Die Figuren in der hier kommentierten Prosa sind ewige Jäger und zugleich auch stets gejagtes Wild, sind scheinbar siegreich und zugleich besiegt; diese Doppeldeutigkeit vergeht erst nach der Rückkehr ins eigene Land. Auf deutschem Boden schützt unsere Landsleute vor dem Wahn, der aus dieser schizophrenen Situation entstehen müßte, der starke Glaube, wie es sich für Söhne des Vorpostens der Christenheit gehört. "Sie waren beispielhaft in ihrem starken Glauben, in ihrem Bedürfnis zu glauben, in ihren Glaubensattributen. Sie wußten, was sie vom Herrgott erwarten können: Arbeit, Arbeit und noch einmal Arbeit" (OP, 9).
Was die verschiedenen Varianten der Erniedrigung betrifft - von einigen Gesichtern der Niederlage war bereits die Rede -, so sollte man verallgemeinernd feststellen, daß sie gewissermaßen vorhersehbar sind; die Hölle des Geldverdienens in Deutschland hat nichts Geheimnisvolles und birgt keine überraschenden Momente. So muß man zum Beispiel nach dem Erscheinen der Emigranci (Die Emigranten) von Sławomir Mrożek (zweifellos ein Meisterwerk der hier besprochenen Gattung, doch würde man ihm Unrecht tun, wollte man seinen Sinn nur auf die Rolle einer literarischen Denunziation der "Saksen" beschränken), die Anwesenheit von Vertretern der intellektuellen Eliten, die Hand in Hand mit "richtigen" Arbeitern schuften (die "Schwarzarbeit" ist für sie gleichermaßen erniedrigend); ganz einfach, AA und XX wurden ertappt, als man sie erniedrigt hatte. Deshalb erscheint auch immer wieder in den hier kommentierten Erzählungen ein Dozent oder ein Absolvent der Akademie der schönen Künste.

Noch ein anderes Beispiel für dieses Schema der Handlung ist - notwendig, weil es wohl der Wahrheit entspricht - die Darstellung der Behausung und der Verpflegung beim erniedrigenden Herumziehen. Die Gastarbeiter schlafen in Zelten oder den allerschlimmsten "Löchern", ernähren sich von billigen Fleischkonserven, die sie in großen Mengen von zu Hause mitbringen oder von dem hiesigen billigen Fraß, den sie bei ALDI kaufen. Das einzige, woran sie nicht sparen, ist der Alkohol, was - wie ich meine - ebenfalls als Schema betrachtet werden muß, das etwas von der "Wahrheit" über den nationalen Charakter aussagt. Es sieht ganz so aus, als wollten unsere Helden kein Chaos in deutschen Köpfen verursachen, denn sie sind überzeugt, daß die Deutschen unter den Redewendungen in ihrer Sprache den Vergleich haben "besoffen wie ein Pole".

Zum Abschluß der Übersicht über die verschiedenen Formen des erniedrigenden Abgleitens sollte ich das wohl ausdrucksvollste Bild erwähnen, das ich in den hier kommentierten Texten gefunden habe. Ich meine, Bukowski hat eindeutig alle geschlagen; in einer kurzen Szene, die im Bremer Hafen stattfindet, benutzt er folgenden mutigen und zugleich niederschmetternden Vergleich: "Es erinnerte an einen Sklavenmarkt. Der Deutsche zeigte mit dem Finger, und der, auf den gezeigt wurde, bekam einen Haken, mit denen die Kaffeesäcke gezogen wurden sowie den Namen des Schiffs" (N, 103-104). In der Tat ein starker Vergleich.

Das Kostüm und seine Wirksamkeit
Jedermann weiß, daß für das Emigrantenschicksal (und sei es nur eine mehrmonatige Tour, um Geld zu verdienen) das Pole-Sein ein belastendes Element darstellt. Ich meine hier nicht die außergewöhnlichen und komplizierten intellektuellen Konstruktionen ŕ la Witold Gombrowicz über die exklusiven Formeln, die da empfehlen, (im Ausland) den Polen in sich zu liquidieren. Es geht mir eher um ein pragmatisches Maß: Habe ich als Pole eine größere Chance "beim Deutschen", Arbeit zu bekommen oder, sagen wir, als Türke. Wie sich zeigt, kann in dem hier problematisierten Raum das Polentum durchaus nützlich sein, eigentlich müßte es heißen "konnte", denn diese Schlußfolgerung betrifft die Situation zu Beginn der neunziger Jahre.

Man muß vor allem sein ‚Polentum' nach außen zeigen: "Białecki zog ein T-Shirt mit der Aufschrift ‚Ich bin Pole' an. Aus dem Auto holte er ein Schild mit einem in farbigen Lettern auf Deutsch und Englisch geschriebenen Text: ‚Ich komme aus dem gemarterten Polen. Helft den hungernden Brüdern!'" (OP, 195). Angeblich wirkte es durchaus auf Deutsche mit einer humanitären Ader. Manifestationen dieser Art fanden übrigens vielseitigere Anwendung, sie beschränkten sich nicht auf die Arbeitsuche. Sollten zum Beispiel unsere Landsleute im besoffenen Kopf vergessen haben, daß sie nicht zu Hause sind und sie wurden erwischt, weil sie die hier übliche Ordnung verletzt hatten, könnte folgende Strategie einen Ausweg aus der Misere bieten: "Plötzlich erscheint eine Streife, und sie kontrollieren uns. Der Abiturient umarmt den von der Polente, drückt ihn an sich und schreit: ‚Solidarität, Solidarität, ich aus Polen, Pologne, Polonia. Freiheit for Polen', schnell zogen wir ihn weg und erklärten höflich, wie und was…" (M, 172). Ich achte sehr darauf, daß ich die Vergangenheitsform benutze, denn ich fürchte, dieser Teil des Ratgebers für Polen, die sich in der Bundesrepublik aufhalten, hat sehr viel von seiner Aktualität verloren.

Eine andere Maske, die die Helden gerne aufsetzen, ist die Grimasse des - um den Dichter zu paraphrasieren "Sohnes der Nation, der Unrecht zuteil wurde". Da die Personen, welche die hier kommentierten Erzählungen bevölkern, sich trotz der häufig akademischen Ausbildung nicht gerade gut in der historischen Dialektik auskennen, sind sie immer wieder verblüfft: Woher kommt dieser Wohlstand in einem Lande, das so schändlich einen Krieg verloren hat, woher kommt diese Ungerechtigkeit, wenn man das eine oder andere mit der polnischen Realität vergleicht? Doch diese Verwunderung ist nicht ohne Eigeninteresse, denn darauf stützt sich die moralische Rechtfertigung dafür, daß man so tief gefallen ist. Jede Mark, die man den Deutschen entreißt, wäre also ein kleiner Akt im Kampf gegen die historische Ungerechtigkeit.

Aber es gibt auch andere Vorschläge, wie man den deutschen Wohlstand teilen kann: "Ich kaufe einen Ford Fiesta, etwas gebraucht, aber auf Hochglanz poliert und kehre in mein Land zurück. Bringe dort ein starkes, einige Personen zählendes Team von hübschen, gut gebauten Mädchen zusammen, die Mut und Lust haben zu arbeiten. Die Gespräche sind immer kurz: Ich biete Euch Arbeit in Peep-Shows, wenn Ihr mehr verdienen wollt, warten die Einzelzimmer. Vielleicht ergibt sich auch die Möglichkeit, für Pornofotos zu posieren oder erotische Filme zu drehen. Was weiß ich?" (OP, 61).
Es ist recht unterschiedlich mit den Kostümen, die sich die Polen in Deutschland anlegen. Manchmal lohnt es sich, Prinzipien zu zeigen, nach dem Motto: "Der Deutsche wird uns nicht ins Gesicht spucken", manchmal lohnt es sich weniger. Ein Konflikt mit dem Arbeitgeber, wenn es eine Chance gab, sich gütlich zu einigen, muß mit einer Katastrophe, einem Prinzipienduell enden: "…Er sagte, man solle Kommunisten überhaupt nichts bezahlen. Ich gab zurück, er habe sich zu sehr an Hitler gewöhnt. Den hat bald der Schlag getroffen…" (N, 78). Selbst dann, wenn die Polen weitgehende Dankbarkeit zeigen, daß man sie verdienen läßt, meldet sich irgendwie unterschwellig das leise Echo des Neides, des Unwillens, einer unsinnigen Rivalität.
Aus den hier kommentierten Texten kann man schlußfolgern, daß es eine Art Prinzip der nationalen Einheit gibt - auch wenn dieses Postulat noch nicht gründlich ausformuliert ist. Seien wir wie Polen untereinander, daß heißt vor allem wohlwollend einander gegenüber, meine Herren "Saksen". Ein Beispiel für eine wirklich solidarische Haltung ist die Hamburger Prostituierte, genannt die Patriotin, aus der Erzählung von Rudnicki: "Wirklich ein Klasseweib, für alles zu haben, aber sie hatte ihre Prinzipen. Die Deutschen nahm sie gleichmäßig aus, für uns patriotischer Rabatt, aber wenn sie einer wie eine Nutte behandelte - flog er raus" (M, 172-173). Das ist der ganze Rudnicki! Ein genial provokanter Schriftsteller. Zwei Zeilen weiter lesen wir: "Irgend so ein Deutscher hatte sich in sie verliebt. Er kam jeden Tag, lud sie in die Kneipe ein, fuhr sie mit dem Mercedes herum. Die Patriotin - nichts. Er wollte sie heiraten, sie blieb wie ein Stein." Ist dies nicht eine bezaubernde moderne Version der uralten polnischen Legende von Wanda, die keinen Deutschen (zum Mann) wollte?
Jedenfalls platzt das aus der Rumpelkammer hervorgeholte Kostüm aus den Büchern der Nation und der Pilgerschaft*** aus allen Nähten, und es kann nur unterhaltsam sein, obwohl die Erkenntnis alt ist. Würde man genau suchen, stellte sich heraus, daß sie aus der Zeit vor Gombrowicz stammte.
Stellen wir uns also die direkte Frage: Wie sollte ein Pole in Deutschland sein, wenn er nicht er selbst sein kann, wenn er geschminkt, kostümiert sein muß? Eine Antwort auf diese Frage finden wir in der hier zitierten Prosa natürlich nicht. Wir finden dazu bestenfalls einen Hinweis, der ziemlich allgemein gehalten und nicht leicht zu erfüllen ist: "Nicht ich muß von den Ausländern Zivilisation lernen, ich muß den anderen wahre, christliche Zivilisation lehren, verstanden?" (T, 165). Ich glaube, daß die Polen eine Mission zu erfüllen haben, deren Umrisse erst jetzt sichtbar werden. Schon bald, wenn Berlin zum Zentrum wird und unsere westlichen Wojewodschaften nicht allzu entlegene Vororte der deutschen Hauptstadt geworden sind, wird die Verbreitung christlicher Werte auf dem Gebiet der Germanen etwas leichter sein.

Aus dem Polnischen von Anneliese Danka Spranger

Anmerkungen
1. Diese Gedanken verdanke ich E. Badinter (siehe auch Tożsamośœć mężczyzny [Die Identität des Mannes]. Warszawa 1993).
2. M. Bukowski: Nic się nie zmieni (Nichts wird sich ändern). Warszawa 1985, S. 102. Die nächsten Zitate habe ich wie folgt gekennzeichnet: N = M. Bukowski: Nic się nie zmieni (Nichts wird sich ändern); OP = A. Rodan: Okolice porno-shopu (Rund um den Porno-Shop), ŁódŸ 1987; O = J. Rudnicki: Odwiedziny (Der Besuch); T = ders. Trzecia w prawo i druga w lewo od księżyca (Die dritte rechts und die zweite links vom Mond); M = ders. Można żyć (Man kann leben). O, T und M: alle Zitate aus dem Erzählband Można żyć. Wrocław 1992.
3. So schön von Miron Białoszewski beschrieben (in dem Bändchen Obmapywanie Europy, czyli dziennik okrętowy. AAAmeryka. Ostatnie wiersze [Europa, mit Landkarten versehen, oder ein Schiffstagebuch, AAAmerika. Letzte Gedichte]. Warschau 1988, S. 76): "Es gibt auch Kinos ausschließlich für Herren […] Immer wieder steht jemand auf und geht hinter die Kulissen. Es stellt sich heraus, daß sich dort ein Salon zur Erleichterung befindet."

Anmerkungen des Übersetzers
* Der Autor benutzt hier für "Fremdarbeiter" saksończyk - der Sachse. In früheren Zeiten ging man nach Sachsen, ging "na saksy" oder in andere Länder, um sein Brot zu verdienen.
** Der Buckel ist in der polnischen Literatur eine Metapher für das sichtbare Sinnbild einer begangenen moralischen Untat.
*** Anspielung auf Księgi narodu i pielgrzymstwa polskiego vom Lyriker und Schriftsteller der polnischen Romantik, Adam Mickiewicz.

anowa

Dariusz Nowacki - geb. 1965. Polonist, Literaturkritiker. Redakteur von "FA-art" und der Zeitschrift "Opcje", wo er die Literaturabteilung leitet. Ständiger Mitarbeiter anderer Literaturzeitschriften ("Twórczość", "Kresy", "Kwartalnik Artystyczny"). Sein Hauptgebiet ist die zeitgenössische polnische Prosa, besonders die der Debütanten; seine Doktorarbeit handelte über das Werk von Jerzy Andrzejewski. Lebt in Sosnowiec.

Czytany 12854 razy Ostatnio zmieniany niedziela, 18 październik 2015 21:17

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