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środa, 07 październik 1998 20:30

Distilled From Pure Grain

Napisane przez M.K.E. Baczewski
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(C)opyright Agnieszka Bieniasz (C)opyright Agnieszka Bieniasz

„gewöhnlich 100 gramm Baczewski Kosher / mit grapefruitsaft / hier beginnt die geschichte / von den heimreisen in die flüsse der kindheit” (Aus dem Polnischen von Ursula Kiermeier)

I

gewöhnlich 100 gramm Baczewski Kosher
mit grapefruitsaft
hier beginnt die geschichte
von den heimreisen in die flüsse der kindheit

bis an die knöchel in sand versonnen
könnte ich dort die seit tausend jahren
immergleiche greisin treffen
die im netz ihrer falten den sonnenstrahl jagt
den sand der lügen auf ihre lippen streut

du spreizt deine phantasie, wirklich
mit armen schluckern geht die zeit um wie mit einem ei

bestreut mit sand
seine kantigen ovale
gefeilt von gletschern und winden


II

Die Ersten packten ihre Habe für gerademal fünf Minuten aus,
sie wollten Stuten melken und Frauen versorgen, die die lange
Reise ohne Sattel erregt hatte. Wäre nicht der fatale Sturzregen
gewesen, so hätten sie keine Hütten errichtet. Ein abgedrehter
Preiselbeersucher hätte die Heilkraft des Landstrichs entdeckt,
ohne das zu recht unter der Oberfläche verborgene Erdreich und den Dialekt
wahrzunehmen, seine archäologischen Perspektiven. Doch es kam die Erleuchtung
des Regens und verwässerte diese potentiellen Eroberer Roms,
Entdecker des Schönen, Väter und Mörder, Bildhauer und Päpste,
über die Anhöhen der Umgebung. Ihre Nachfahren waren Bauern,
dem Sarkasmus des hiesigen Wetters preisgegeben, züchteten sie
Ziegen, gerbten Häute, zeichneten ihre Namen in den Sand.

Sie waren gedrungen, nervös, mißtrauisch. Sie vergeudeten
und wurden vergeudet. Sie zeugten achtlos, arglos.
In Jahren der Mißernte setzten sie ihre taufrischen
römisch-katholischen Moralinstrumentarien in Klammern.
Ihre Mythen kannten nicht viele Erzählhilfen, wie sie die
Notizenjahrhunderte bereithielten. Ab vierzig verfielen sie
in eine sexuelle Eiszeit beim Versuch, alle ihnen zugänglichen
Geschichten zu einer einzigen transportablen Mythologie zu versammeln.

Sie wohnten in der Sprache, nutzten ihr
Räderwerk, ihre tektonischen Strukturen. Eng
geschlossen unter die Eierschale des Satzbaus, wandelten sie
sich sacht zu fast identischen Sandkörnern.

Musik verband sie, der Strom von Gefäß zu Gefäß,
das Prickeln der Takelei der Stimmbänder,
vwenn der Wind die Segel des Bleibens straffte,
das Klatschen der Ruder in die spröde Spiegelfläche der Zeit.

Sie fühlten sich wohl, hätschelten ihren frisch gezähmten,
lebendigen Fisch im Mund. Unbemerkt, unverzeichnet,
durch das unpräzise „circa“ der aufkeimenden Buchhalterei ad nihilo
abberufen, voll warmen, saftvollen Lebens,
wie konnten sie annehmen, es gelänge ihnen, die Schrift
zu zähmen, die, so spricht die Schrift, spricht.

Als sie zu sprechen lernten, schien es ihnen,
sie hielten ein kleines, lebendiges Tier in der Hand
mit einem pochenden Herzen, verschüchtert
ob ihrer unbändigen Größe, es schlummerte aber ein
nach Momenten des Wiegens im warmen Korb ihrer Hand.
Es glaubte nicht, daß sie es einst mit dem Stilett der Feder
auf einer papierenen Fläche aufspießen würden.

Das Wort war noch Leib und tat weh,
hinterließ Narben, der Wolf trat aus dem Wald,
die Zeit leerte ihren Vorrat an Regenbogentropfen.


III

Bald fällte ihre Sprache die prägnanten Anfänge aus
auf den Grund einer klarenden Lösung. Sie errichteten die Wasserscheide
der Alltäglichkeit, setzten Wörter aufs Wasser, in der festen Überzeugung,
die Macht der Courtoisie werde den Triumph des Fluchs bezwingen.

Manchmal erklomm ein bärtiger Poet die Höhen der verstümmelten
Erinnerung, man verurteilte ihn zur niedrigen Weitergabe
seines Genotyps und zu didaktischem Windesmurmeln.
Er erkannte präzis, wie sie sich zerfraßen und wie sie stanken,
wie sie starben, ohne einen semantischen Rest preiszugeben.

Und die Sprache kehrte seitdem, verletzt, nie mehr heim
und harrte aus in ihrem Leuchtturm, düster und stolz,
teilte ihre Zeit zwischen Onanie und Schutz der Instrumente,
wie der gerechte Gott bei der Verteilung der Verbote und Ursachen,
einsame Herrin über die Sumpflandschaft, gehüllt in den Schleim des Sieges.

Ich versuche zu verstehen, welche Aufwallungen phraseologischer
Libido sie zu der geheimen Sühne des Rotwelschen,
des Dialekts greifen ließen - die Autoren der Bannworte und Flüche,
die aus ihren Hakenkreuzen und Sonnensiegeln entwurzelt waren,
eigentlich ausgespien auf das Ufer des Schweigens, des Haderns
mit dem, was im Designat verwurzelt war, solide und banal.
Ich versuche, die Freude zu verstehen, die daraus strömt,
sich einer anderen Sprache als der zu bedienen, mit der die
sprechen, die ihnen Kredite erteilen, Land zur Pacht
überlassen, den Zugang zu Gott gewähren. Es ist klar,
daß jeder Ausgespiene, über welches Bord auch immer, sofort
eine Sprache erfinden mußte, um hinauszuschreien, wie sehr
er die See haßte, mit all ihren nassen Geschäften.

Nicht eine Sprache, sondern Sprachen. Die, die Antworten gibt
auf Fragen. Die dem Verstehen dient
und der Fabrikation von Mißverständnissen. Die Sprache der Outsider
und Spione, die in Leiden und Verderbnis wurzelt,
unter Leiden und Verderbnis fällt. Die, die
gefragt schweigt und ungefragt - lügt.


IV

Die ersten Niederschriften, in Erlenstöcke gekerbt,
spiegelten sich auf ihren Rücken. Von nun an war mit dem Problem
des Zeichens für immer die Frage des Schmerzes verknüpft.

Im Anfang war es schwer zu verstehen, wie
ein Ding Designat wird. Sie glaubten an eine lodernde,
außerlautliche Verbindung, den Sexappeal
des Hieroglyphs, ein nonverbales Werben.

Es fiel ihnen leichter, an die Zertrümmerung etwas so wenig
existenten wie eines Atoms zu glauben als an die Zertrümmerung
der Sache in Lettern. Sie waren felsenfest überzeugt, die Buchstaben
würden von widerlichen Gnomen in unterirdischen Grotten gefertigt,
im Feuer gehärtet, damit sie die Last der Wahrheit tragen könnten.
Sie glaubten an die dunkle Gewalt der Stahlfeder, des Griffels,
des Textprogramms. Der, welcher als erster schreiben lernte,
trug sein Tintenfaß der Vertreibung bei sich, das Siegel der
fremden, unheilverheißenden Herrschaft der Zeichen. Ihm brachte man
Briefe und Bescheide wie einem Schanzsoldaten, damit er den Sprengstoff
des Inhalts entsicherte - der in zunehmendem Maße
zur Schuld dessen wurde, der schrieb, und dessen, der las.

Anfangs wurden viele Dinge auf Papierfetzen erledigt,
Steuer - und Mietquittungen, Briefe eifersüchtiger Ehemänner
aus halsbrecherisch weit entfernten Kriegen, freigeistige Flugschriften,
Gesangbücher, Indulgenzien, Ludicien, Novenen,
prophetisch besiegelte Schenkungs- und Pachturkunden,
in Dachbalken getriebene magische Zeichen.

Der Macht der Dokumente und Briefe überlassen,
offen für ein intimes, septisches Vordringen,
versanken sie in die Gewißheit, die Erfindung der Schrift
werde nicht ihr Spezifikum. Und so vergingen
Jahre der Gewöhnung - inmitten von eisernen,
apostolischen und Steckbriefen, pornographischen
Comics, broschierten Prophetien.


V

Kaum hatten sie ihre ersten erzwungenen
Kreuze unter die Urkunden der Servilität gesetzt (dabei
fühlten sie sich, vornehm gesagt, beschissen),
und schon verbargen sie unter den eifersüchtigen Augen der Götter
das erste gestohlene Feuer der geschriebenen Letter,
die brennende Frucht, das Gute und Böse zu verzeichnen.
Sie waren längst bereit für die Marimba des Sonetts,
den seidenen Betrug des Romans, die schrille Emphase
apokrypher Denunziation, längst sog sie das Mikroklima
des Skriptoriums in sich auf, längst erstickte sie
das Ligaturengewirr, zerrissen sie
bändebevölkernde Geheimnisse, Milben und Schimmel.

Endlich waren sie für das erste, schlaflose Geschenk
eines Buches bereit. Gewöhnlich reichte es ein atheistischer
Onkel, zuweilen schleppte ein Kind,
dem lauter Psalmengesang mit dem Schweigen des Buchs
gelohnt wurde, die unheilbare Gabe nach Hause.
Das war nicht das lautlose Gleiten der Schlange in die Geschichte,
auch nicht das hyperphone Hufgetrappel der Pest. Es erschien im heiligen
Glanz seiner Nutzlosigkeit, geheimnisvoll und bedrohlich.
Mitten im Wort schwieg das Messer, aus der gehobelten Wolke
fiel kein seladongrüner Regen mehr. Alle standen
im engen Kreis über dem weitgebreiteten Königreich,
der Zerbrechlichkeit der Adern unbewußt, in denen seine
Kompetenz strömte. Sie konnten sich nicht dem Eindruck widersetzen,
aus dem löchrigen Weiß ströme krankes Licht. Der besoffene
Vater besabberte die Finger in einer geliehenen und ziellosen Geste. Und es war,
als lese das Buch in ihnen, sabberte Randbemerkungen,
blätterte die Seiten. Und als sich die letzte unergründbare
Seite schloß, glaubten sie weiter, dort, in den zwölf
Kapiteln, verberge sich die Wahrheit, greifbar und pulsierend.
Denn wozu sonst gäbe es die aberwitzige Mühsal des Buches?
Das so leicht ungelenken Händen zum Opfer fiel,
schmutzigen Fingern? Und der Flamme?

Was kam danach? Ein einfacher Sprung hinab in die Arme
Alfonso Liguoris, Imitatio Christi, unter die Fittiche
der Kräuterbücher, Almanache - direkt in die Starre,
die aus übermäßigem Gebrauch von Drucken bei schlechtem Licht
entsprang. Und so drang es in ihr Leben, setzte Rechte
und Rache, schützte Verlangen und Gelingen.

Durch die Begräbniseinbände der Breviers, die feierlichen
Chroniken, Geburts- und Todesbücher, Grabinschriften,
Rubrizellen, Kataster, all das, was in der Kraft des Zeichens
die Kraft des Lebens und die Macht des Todes bindet,
durch Katechismen, Passionale, die Memoiren
französischer Offiziere, Flugblätter „Wye
man den Feifel heyle“, in den Pranken der Zeit zerschlissene
Broschuren unzüchtiger Verse - das alles strebte
in die erste Bibliothek. Die durch das übersatte Auge
eines Kleriker betrachtet wurde; graduell paralysiert, entblößt,
damit du jetzt, nach dem Vollzug weiterer Deflorationsriten
und Treubrüche, diesen Ort in der Überzeugung verläßt, jenseits
der Grenzen der Bibliothek sei die nächste, weisere,
deren Bücher belegen, daß es Gott gibt, und der Traum erlischt
nach dem Aufschlagen der Lider. Und nach ihr noch eine
und weiter, und am Ende denkst du: Der Bibliotheken ist
kein Ende. Das Wissen ist unbegrenzt, wie auch der Glaube
an das Wissen. Ging es uns nicht am Ende darum:
um unverbrüchliche Gewißheit um den Preis eines Genickbruchs?


VI

Es war gut, daß das erste „Gib, laß mich pflügen.“
die Anfänge dieser Sprache mit der Patina der Höflichkeit überzog.
Dankdessen können wir uns von den nur uns
zugänglichen Gipfeln des Fiebers lossprechen.

Im weiteren ist es genauso - durch den lateinischen Text flieht
die schändliche Faktur mit eingezogenem Schwanz: „Uns ist
Böses widerfahren“. Aus der See der stummen Anfänge
taucht dieses Periskop mit einer energischen
und geschickten Melancholie empor, die bereit ist, ihre masochistischen
Neigungen zu verteidigen. Nachgerade verzweifelt.
Wie zu sehen, wird unsere Sprache an den Quellen
beweint, es bedarf keines Skalpells der Dekonstruktion.
Du findest hier keine Spur der süßen Erektion Frankreichs,
die, im Schwert Rolands verkörpert,
unter den Sarazenen eine Aktion schändlicher Blutspenderei
veranstaltet, zum Ruhme einer oral-genitalen Tradition seines Volkes.

Unsere Anfänge sind klerikal und büßerisch,
sie haben, wie gesagt, den Beigeschmack von
Geißlertum und Fastenzeit.

Nur in der Trutzburg des Lateins vermochte
der Autor jener servilen Sequenz zu sprechen:

aer salubris
ager fertilis
silva melliflua
aqua piscosa
milites bellicosi
rustici laboriosi
equi durabiles
boves arabiles
vacce lactose
oves lanose

Unsere Anfänge sind rezessiv und erdverbunden,
sie haben, wie gesagt, den Beigeschmack von
Geißlertum und Fastenzeit.

Wir tauchten nicht so ostentativ in die Schlüpfrigkeit
wie der Autor jenes üblen „molt dolz pais“,
der, wie ich mir denken kann, ohne den Hauch eines Zögerns
die Beine des Pergaments auseinanderschob und den sich zum
Idiom steifenden Penis der Metapher für die Vergewaltigung fertigmachte.

Unsere Anfänge sind moralisch und bescheiden,
sie haben, wie gesagt, den Beigeschmack von
Geißlertum und Fastenzeit.


VII

Sag bloß nicht, all das hier sei müßig
vor tausend jahren wurde der grund abgesteckt
unter der ersten kate, ein talisman vergraben
steuereintreiber kamen die menschen verzeichnen
und das vieh, saatgut und bienenstöcke
um mit zwei federstrichen
jene welt für diese welt zu gewinnen

kleine felder schoben sich vom rand
in gleichmäßigen diagrammkästchen

milde winde spien
rot von den dächern
blätter fielen und entstanden
die wurzeln der lieder wurden ausgerottet
den gedungenen mördern ihre schecks ausgezahlt

und im grund des flusses hinter der ersten kehre
dort wo das ried wuchs in insektuöser ruhe
schaukelte in einem kleinen kahn ein traum
der tagtraum von der großen stadt
und dem geruch eines drinks mit limettensaft.

Aus dem Polnischen von Ursula Kiermeier

abaczMarek K. E. Baczewski - geb. 1967. Lyriker und Prosaiker, Verfasser des Lyrikbandes Fortepian Baczewskiego i inne konstrukcje (Baczewskis Klavier und andere Konstruktionen). Publiziert selten, dafür sind seine Veröffentlichungen durch große Originalität gekennzeichnet. Preisträger u.a. des vom Verein Civitas Christiana ausgeschriebenen Lyrikband-Wettbewerbs (1993) sowie des 1. Preises im R.M. Rilke-Wettbewerb (1997). Lebt in Zawiercie.

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