Als ich vor fast zwei Jahren für "FA-art" den Gedichtband Schizma (Schisma) von Marcin Świetlicki rezensierte, hatte ich eine harte Nuß zu knacken: Der Autor war damals der Liebling der Medien, und deshalb wäre jeder positive Kommentar nur eine weitere Stimme im Chor der Berufslober gewesen, der - aufdringlich wie eine Mücke am frühen Morgen in einem kleinen Zelt - alles lobt, was gerade in ist (einschließlich der Bande junger Dichter, die geradezu selbstmörderisch rufen: "Wir sind Świetlicki!"), jeder Verriß hingegen hätte den Rezensenten der Entrüstung der frisch gewonnenen Jünger ausgesetzt (einschließlich der Bande junger Dichter, die rufen: "Finger weg von Ihm!"). Die Folge davon war, daß der Text stärker als üblich vom Autoren dieser Worte handelte und nicht von Świetlickis Buch, doch eines erschien mir gewiß: die Medien hatten sich einen harten Brocken zum Idol erkoren. Allerdings deutete alles darauf hin, daß er sich würde weichklopfen lassen...
Aber so war es nicht. Und mein Eindruck hat nichts mit der Präsenz oder Nicht-Präsenz des Autors in den Medien, im Fernsehen oder Radio zu tun. Ich führe keine Statistik, ich lese nur Bücher. Noch 1995 erschien - hört, hört - eine veränderte Version des Debüts. Das hatte doch wohl etwas zu bedeuten - eine Wiederauflage des Debüts nach dem zweiten Buch?! Zimne kraje 2 (Kalte Länder 2) enden mit einer Deklaration unter dem Titel Polska 2 (Polen 2), einer Deklaration, die sich, wie mir schien, nicht halten ließ, doch die beiden nächsten Titel, die diesjährigen 37 wierszy o wódce i papierosach (37 Gedichte über Wodka und Zigaretten) und Trzecia połowa (Die dritte Hälfte) bestätigten die Ankündigung.
Polen 2
Und als sie mich trotz allem zu ihrem Dichter machten,
Und als ich, anstatt einen ironischen bitteren Augenblick
abzuwarten und triumphierend zu widersprechen, dort stand
in diesem ordinären Licht und blinzelte.
Und als
(Ich spreche es nicht aus, aber es ist da.
es ist da!)
Das ist doch fast ein "Und sein Name ist vier und vierzig", nicht wahr? Das, was sich nicht ausprechen läßt, aber existiert, das ist doch vor allem die Wirklichkeit, und dennoch dachte ich im ersten Augenblick an ein unanständiges Wort oder eine entsprechende unanständige Geste an die Adresse der Öffentlichkeit, die zeigen sollte, daß Świetlicki er selbst ist, und zwar in dem Sinne, daß er keinem anderen gehört, nur sich selbst.
Was auch immer man über die beiden Bücher dieses Jahres sagen mag, sie zeigen keine Spur davon, daß dem Autor das alles zu Kopf gestiegen ist, vielmehr sind sie eine ausdrückliche Fortsetzung seiner Poetik, das alte Klima seiner Gedichte, eine Rückkehr zu Dingen, die er früher geschrieben, aber nicht veröffentlicht hat. Der Autor hat beschlossen, sich nicht zu unterwerfen und hat bewiesen, daß seine Worte nicht in den Wind geredet sind. Er ist lediglich nach mehrjährigen Wirren wieder an seinem Ausgangspunkt angelangt - wenn man seine Aufnahme in die literarischen Kreise, eine kleine Stabilisierung (wie klein sie ist, zeigen die Gedichte Frojdy [Freuds] und Szpieg [Spion] aus Trzecia połowa), Frau und Kind nicht zählt.
Aber man steigt nicht zweimal in denselben Fluß usw., und in diesem Muster ist die Rückkehr an den Ausgangspunkt bzw. zu den Schwierigkeiten mit der Literatur als solcher unter besonderer Berücksichtigung der Dichtung keine Rückkehr an denselben Ort. Nolens volens sind wir alle ein kleines bißchen älter geworden, und die neuen Jungen sind uns schon auf den Fersen. Was hat Marcin Świetlicki ihnen in seinem neuen Buch auf den verschiedenen Etagen des litrarischen Diskurses zu sagen? Drei Gedichte erscheinen mir besonders charakteristisch: I tak dalej mniej więcej w tym stylu (Und so weiter ungefähr in demselben Stil), Poniechana pielgrzymka (Die unterlassene Pilgerfahrt) und Trzecia połowa.
Das erste Gedicht erinnert an Niedziela przed południem (Sonntag Vormittag) aus Zimne kraje 2, nur daß die Abreise in die Welt der eigenen Gedanken, Trugbilder, Eindrücke und Vorstellungen mit einem Titelkommentar versehen wurde. Einem ironischen? Naja, meinetwegen ironisch auf der Ebene des Subjekts der schöpferischen Tätigkeit. Jenes "Undsoweiter" (I tak dalej...) läßt einen gewissen Überdruß an den Abflügen ins Innere vermuten, eine Ungeduld, die dem Stil der Beschreibung solcher Abflüge gilt. Doch nach ernsteren Neuerungen sucht man in dem besprochenen Buch vergeblich. Wie gesagt, eine Fortsetzung auf der ganzen Linie.
Trzecia połowa aus dem Titel enthält neben einem Verstoß gegen die Logik auch die Prophezeiung: SHIT HAPPENS. Der Erzähler bestätigt ausdrücklich, daß derjenige, der nach einem "auch noch so kleinen Schimmer" hungert - infantil gesagt nach einem Hoffnungsstrahl -, nichts finden kann. Die dritte Hälfte ist etwas Unmögliches, etwas, das es nicht gibt, so etwas wie die dritte Möglichkeit einer Alternative. Der prophezeite "Shit" passiert, wenn man am Ende der Suche angelangt ist, und die Tatsache, daß es keine Aussicht auf eine Fortsetzung der Suche gibt, oder eher die Feststellung, daß sie umsonst geführt wurde, ist voller Pessimismus.
Poniechana pielgrzymka ist wohl - so will ich sie jedenfalls verstehen - die Ankündigung des alten Projekts dichterischer Unabhängigkeit: "Solange wir schreiben" gibt es nicht nur keinen Tod, obwohl das Inselchen des Lebens schrumpft, sondern es gibt auch die Freiheit. Die Freiheit einen Furz zu lassen ohne Rücksicht auf Salonverpflichtungen, (das betrifft die Jungen) und das bestehende Sacrum zu heiligen (das ist für die Alten). Aber, wie das mit Projekten oft ist, sie verstehen sich irgendwie von selbst.
Man muß allerdings bemerken, daß Die dritte Hälfte geschickt konzipiert ist: Drei Teile - einer unter dem (meinem) allgemeinen Motto "Haus", der mittlere, der aus etwas älteren Gedichten über die Liebe besteht (ungefähr 1988-94), und der dritte unter dem ebenfalls von mir stammenden und allgemeinen Motto "außer Hause" - bilden eine Schlinge um die Gedichte Zakończenie [Schluß] und Wstęp [Einleitung], die ihre von diesen Titeln bezeichneten Plätze vertauscht haben.
Ich schreibe zwar, daß das bemerkenswert ist, aber ich bin außerstande, in dieser Aufteilung mehr zu sehen als nur die allereinfachste Bedeutung, die sich aufdrängt: Der dritte Teil (siehe der Titel des Buches) müßte der wichtigste sein, doch nur insofern, als er zum ersten Teil führt. Ein ewiger Kreis ohne Ausweg? Wie ich schon angedeutet habe, befindet sich Świetlicki am Punkt Null seines Abenteuers mit der Literatur, er kann in dem genannten Kreis bleiben, er kann aber auch versuchen auszubrechen. Vorläufig "hält er sich an der Zigarette fest, um sich nicht zu verlaufen" (S. 29) und schützt sich mit Feuer - "durchschnittlich acht / und vierzig Zünder des Elements [...] in einer Schachtel" (S. 45) - vor dem Ertrinken.
Die beiden diesjährigen Bücher von Świetlicki sind wohl Zigarettenpausen. Ich bin gespannt, was er zu sagen hat, wenn er zu Ende geraucht hat.
Marcin Świetlicki: Trzecia połowa (Die dritte Hälfte). Poznań: Wydawnictwo a5 1996.
Aus dem Polonischen von Esther Kinsky
Jan Szaket - Pseudonym von Cezary Kęder, s. dort.
Jan Szaket - PseudJan Szaket - Pseudonym von Cezary Kęder, s. dort. onym von Cezary Kęder, s. dort.
Die literarische Vierteljahreszeitschrift "FA-art" wurde 1988 von einer Studentengruppe gegründet, die mit dem schlesischen Kreis der pazifistischen Bewegung Wolność i Pokój (Freiheit und Frieden) verbunden war. Anfangs erschien die Zeitschrift im sog. zweiten Umlauf, d.h. außerhalb der Zensur. Ein Jahr später übernahm Cezary Konrad Kęder die Redaktion und die Titelrechte. Er gab der Zeitschrift ihre eindeutig literarische Richtung, auch wenn Literatur schon im ersten Heft ein wichtiges Thema war.
Der Systemwechsel in Polen, der mit den Wahlen vom 4. Juni 1989 einsetzte, war für das literarische Leben von großer Bedeutung. Die Aufhebung der Zensur, Änderungen der Rechtslage, die Unbeweglichkeit staatlicher Verlage, die auf einmal ihrer Subventionen beraubt waren, der Untergang des Monopolisten im Buchvertrieb, das Ende vieler staatlich subventionierter Zeitschriften - all das förderte die Entstehung neuer literarischer Institutionen. Um so mehr, als es nur wenige der Verlage und Zeitschriften, die mit der Opposition der achtziger Jahre verbunden waren, schafften, sich unter den neuen Bedingungen institutionell anzupassen. Am besten kamen die Neulinge zurecht, die im ganzen Land Zeitschriften ins Leben riefen und dabei häufig von den lokalen Behörden finanziell unterstützt wurden. Eine wichtige Rolle spielte auch die stereotype Erwartung, daß die gesellschaftlichen oder politischen Veränderungen auch Veränderungen des literarischen und künstlerischen Lebens begünstigen würden. Sowohl die Kritik als auch das Publikum zeigte Interesse an den Debütanten, und suchte bei ihnen den Beleg für die Wende in der Literatur, die wiederum eine Bestätigung für die politische Zäsur sein sollte.
Die wichtigste Rolle in der jüngsten polnischen Literatur spielten die generationsspezifischen Zeitschriften, die bereits Mitte der achtziger Jahre entstanden waren und schon bald ihr jeweils eigenes Profil entwickelten, auch wenn sie damals noch im zweiten Umlauf erschienen ("bruLion" aus Krakau und - weniger ausgeprägt - "Czas Kultury" aus Posen). "FA-art" war zu diesem Zeitpunkt nur eine von den vielen studentischen Literaturzeitschriften mit einem nicht allzu großen Wirkungskreis. Bis 1992 gelang es, gerade fünf bescheidene Nummern mit literarischen bzw. kritischen Texten herauszugeben. Finanziert wurden sie überwiegend von den Redakteuren selbst. Aber gerade in diesen Jahren bildete sich das Redaktionsteam und das Programm der Zeitschrift heraus. Seit 1992 erscheint "FA-art" nun regelmäßig.
Das erste Heft, das auf größeres Interesse stieß, war wohl die Doppelnummer 2/3 von 1993 (12/13). Außer Cezary K. Kęder waren damals in der Redaktion: Marcin Herich, Stanisław Mutz und Krzysztof Uniłowski. Zu den engsten Mitarbeitern gehörten Piotr Czakański-Sporek und Dariusz Nowacki. "FA-art" betonte seine Besonderheit durch einen spezifischen Programmcharakter. Sehr schnell wurde bemerkt, daß es unter all den neuen Literaturzeitschriften, die Zeitschrift mit dem deutlichsten und konsequentesten Profil war, und das, obwohl die Redaktion nie ein Programm oder Manifest sensu stricto vorgestellt hat. Das war auch überhaupt nicht nötig! Das "Programm" war ein Ergebnis des Treffens einer Gruppe von Debütanten, die sich hervorragend verstanden. Es verbanden sie Sympathie und Interesse und sie ergänzten sich gegenseitig hervorragend.
Eine Eigenheit der Zeitschrift war die starke Akzentuierung der Literaturkritik. Das war kein Zufall. Die Verbindungen zur Polonistik an der Schlesischen Universität waren immer sehr stark, wenn auch nie formaler Natur. Während die jungliterarische Kritik (wir nennen sie "jungliterarisch", wobei man unbedingt hinzufügen muß, daß es in den neunziger Jahren in Polen gar keine andere gab) durch eine personenbezogene Einstellung geprägt war, und ihr Diskurs in der Regel einen impressiven und intimen Charakter besaß, schlug "FA-art" die analytische Option vor, indem sie die Tradition des Strukturalismus mit den postmodernistischen Sympathien in Einklang zu bringen suchte. Auch das war etwas Neues. Die Postmoderne wurde in Polen erst in den neunziger Jahren zum Thema. In der Regel jedoch - sagen wir es euphemistisch - war man weder dem Begriff noch der Erscheinung selbst zugeneigt. In der Symphatie für den Postmodernismus glaubt man gewöhnlich die eigentliche Besonderheit der Zeitschrift zu finden. Man muß klar sagen, daß dies keine zufällige Wahl oder gar Mode war (zur Mode wurde in Polen dagegen die Kritik am Postmodernismus - am häufigsten in feuilletonistischer Manier betrieben). Schlesien war höchstwahrscheinlich die einzige Region in Polen, wo eine Zeitschrift wie "FA-art" entstehen konnte. Schlesien hat selbst keine größeren literarischen Traditionen und bildet - infolge der langjährigen Innenmigrationen - in gesellschaftlich-kultureller Hinsicht einen spezifischen, inkohärenten Wirrwarr, in wirtschaftlicher Hinsicht aber wurde es für die Moderne
zum Denkmal. Schlesien hat auch eine administrative Eigenheit - die Grenzen zwischen den Städten sind gänzlich verwischt, sogar Kattowitz läßt sich schwer als kulturell-wirtschaftliches Zentrum der Region bezeichnen und ließe sich vortrefflich mit der Wurzelstock-Metapher beschreiben. An Paradoxen mangelt es hier nicht: Den heute wirtschaftlich und kulturell integralen Teil von Schlesien bildet das Dąbrowskie-Becken, das einmal zum russischen Teilungsgebiet gehört hat und seine eigene kulturelle Spezifik sowie andere politische Traditionen besitzt. "FA-art" konnte zwischen einer regionalistischen und einer postmodernistischen Option wählen. Es sollte nicht verwundern, daß die Entscheidung intuitiv auf die zweite fiel, da es in der Sprache (im Polnischen oder in der Mundart) nicht einmal ein Wort gibt, mit dem die Identität der Mehrheit der Redaktionsmitglieder bezeichnet werden könnte. Wir sind keine Schlesier, aber wir sind auch keine Zugezogenen, keine "gorole" - wie die Schlesier die zugewanderte Bevölkerung nennen.
Währenddessen erfreut sich im literarischen Leben Polens der neunziger Jahre aber gerade der Regionalismus einer besonderen Gunst - in der Regel handelt es sich dabei um einen proeuropäischen Regionalismus (dieVision von einem Europa der Heimatländer), der die Vorteile der Vielfältigkeit betont, und den Dialog der Kulturen und lokalen Traditionen befürwortet. Wenn "FA-art" dieser Option in gewissem Sinne polemisch gegenübersteht, dann liegt das am kritischen Verhältnis zum Begriff der Identität, die eine metaphysische Beziehung zwischen dem "Ich" und dem Sein, sowie dem Sein, dem Ort und der Wahrheit herstellt. Daher stehen wir der sog. "Heimatliteratur", die nach Meinung vieler Kritiker die bedeutendste literarische Strömung in der polnischen Literatur der neunziger Jahre darstellt, skeptisch gegenüber.
Um die Mitte der siebziger Jahre machte sich im polnischen literarischen Leben eine Abkehr von den neuen (neoavangardistischen) Tendenzen bemerkbar. Das Ansehen solcher Dichter wie Czesław Miłosz, Zbigniew Herbert oder Tadeusz Konwicki wuchs auf Kosten der Popularität von Autoren wie z.B. Tadeusz Różewicz. Im Fieber der politisch-kulturellen Debatten der achtziger Jahre wurden Schriftsteller mit innovatorischen Ambitionen ziemlich abwertend als "Soz-Parnassianer" bezeichnet. Niemand stellte ihren künstlerischen oder intellektuellen Rang in Frage, sie wurden jedoch als veraltet verworfen und in die Literaturgeschichtsbücher verbannt. Die Debütanten der neunziger Jahre, die generell das im Jahrzehnt zuvor geltende Verständnis von dem, was Literatur zu leisten habe, ablehnten, suchten ihre Meister und Schutzherren unter den fremden Schriftstellern (wie z.B. Lyriker der New Yorker Schule, vor allem Frank OHara). Wir erinnerten in unserer Zeitschrift dagegen an die Leistungen der größten Vertreter der polnischen neoavangardistischen Literatur - an Tymoteusz Karpowicz, Witold Wirpsza, Miron Białoszewski, Teodor Parnicki
Wenn man in der Geschichte der polnischen Literatur weitergeht, stellen sich die meisten meiner Zeitgenossen an die Seite von Bruno Schulz (Renaissance der mythographischen Prosa), wir dagegen - an die Seite von Witold Gombrowicz. Die Literaturkritik nahm die Debüts der siebziger und achtziger Jahre, deren Autoren sich bemühten, avangardistische literarische Strategien zu entwickeln, sehr ungnädig auf. Diese Wertung aus der gar nicht fernen Vergangenheit wurde von unseren Zeitgenossen in der Regel übernommen. Umso mehr, als es dadurch leichter ist, sich selbst als etwas ganz Besonderes darzustellen. Und wieder, "FA-art" erinnert gerne an die damaligen Werke (von denen manche schon postmoderne Züge tragen), ohne den allgemeinen - vorgetäuschten oder echten - Gedächtnisschwund hinsichtlich der jüngsten Literatur zu akzeptieren, und ohne sich mit der großen These von dem "schwarzen Loch in der polnischen Prosa der achtziger Jahre" einverstanden zu erklären.
Es sollte also nicht verwundern, daß die Zeitschrift - obwohl sie mit ihrer Geschichte selbst zum Phänomen der 60er-Generation gehört - den Leistungen ihrer Altersgenossen gegenüber eine kritische Distanz wahrt. In unseren Spalten haben wir mit der These einer ästhetischen Zäsur des Jahres 1989 polemisiert. Genauso stellten wir auch die Überzeugung in Frage, die "Jungen" unterschieden sich von ihren Vorgängern, indem sie neue Qualitäten anbieten oder neue literarische Erscheinungen anregen würden.
Es war das große Glück von "FA-art", daß sich unter den Redakteuren und Mitarbeitern der Zeitschrift auch ein paar begabte Kritiker befanden. Sie wußten die neuen methodologischen Impulse zu nutzen, und für einen erkennbar eigenen Stil und unabhängige Urteile in ihren Texten zu sorgen. Parallel zum Auftritt der Debütanten in den neunziger Jahren gab es glücklicherweise eine interessante Bewegung in der Literaturkritik. "FA-art" spielte dabei eine beachtliche Rolle und zog im Laufe der Zeit auch Autoren an sich, die sonst mit anderen Titeln und anderen Kreisen verbunden waren; und zwar sowohl Kritiker als auch Lyriker oder Prosaiker.
Die vorliegende Ausgabe unserer Vierteljahreszeitschrift bringt eine Auswahl der literarischen und literaturkritischen Texte, die zum großen Teil schon einmal bei uns publiziert wurden. Einer möglichst großen Verständlichkeit zuliebe, haben wir sie z.T. etwas gekürzt. "FA-art" hat den Ruf, eine ehrgeizige und schwierige Zeitschrift zu sein. 1996 verglich Arkadiusz Bagłajewski, Chefredakteur der Lubliner Vierteljahreszeitschrift "Kresy", unsere Zeitschrift mit der angesehenen, literaturwissenschaftlichen Fachzeitschrift "Teksty Drugie", die vom Institut für Literaturwissenschaften der Polnischen Akademie der Wissenschaften herausgegeben wird. Nun, wenn in dem Vergleich ein bißchen Wahrheit steckt, ist das für uns ein Kompliment. Man muß auch gleich hinzufügen, daß ein Vergleich mit den "jungliterarischen" Zeitschriften, die dem Ethos und der Poetik der art-zin entstammen, ebenfalls möglich wäre. Allem Anschein zum Trotz kann man - so hoffen wir - das Akademische mit der Gegenkultur verbinden. In Zeiten der Massenkultur ist so eine Verbindung vielleicht sogar ganz natürlich.
Ist "FA-art" eine schwierige Zeitschrift? Nein, wir betreiben keine lart pour lart - das, was Kritiker der Zeitschrift als elitäre Züge einstufen, ist schlicht das Ergebnis einer ernsthaften Auseinandersetzung mit den besprochenen Problemen und kommentierten Büchern, resultiert aus dem Mißtrauen und Widerwillen gegen triviale, publizistische Vereinfachungen. Dabei vergessen wir nicht, daß die Literatur und das Schreiben über die Literatur auch eine Unterhaltungsfunktion haben.
Das Heft, das Sie in Händen halten, wurde so vorbereitet, daß es in seinem literarischen und kritischen Charakter, in seiner Redaktion und graphischen Gestaltung das Profil unserer Zeitung widerspiegelt. Zugleich wollten wir die nach unserer Meinung wichtigen literarischen Erscheinungen und Debatten der letzten Jahre vorstellen. Aus diesem Grund drucken wir in einigen Fällen (mit der freundlichen Erlaubnis unserer Freunde und Mitarbeiter) Texte, die zuvor in anderen Zeitschriften erschienen sind.
Außerdem stellen wir einige Prosatexte in Auszügen vor, die entweder von unserer Zeitschrift veröffentlicht oder dort ausführlich besprochen und empfohlen wurden. Wir hoffen, daß diese Publikation dazu beiträgt, das Bild von der jüngsten polnischen Literatur zu vervollständigen, und es den interessierten Lesern ermöglicht, Einblicke in Charakter und Klima des polnischen literarischen Lebens zu gewinnen.